Das notarielle Nachlassverzeichnis – Auskunft – Pflichtteil


Einleitung

Sind Sie durch eine Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen worden, kann Ihnen als naher Verwandter trotz dessen ein Anspruch auf Ihren Pflichtteil zu stehen. In der Theorie erscheint dies einfach zu sein, doch in der Praxis ergeben sich die Schwierigkeiten oft in der Ermittlung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs. Denn als Pflichtteilsberechtigter ist man kein Erbe und erhält dementsprechend auch keinen Erbschein, welcher es einem ermöglichen könnte Einsicht in die Vermögensverhältnisse des Erblassers zu bekommen.

Jedoch sieht das Gesetz vor, vom tatsächlichen Erben ein privates oder notarielles (öffentliches) Nachlassverzeichnis verlangen zu können. Das Nachlassverzeichnis weist aus, welchen Bestand der Nachlass am Todestag hatte. Unter einem solchen versteht man eine Auflistung aller Vermögenspositionen eines Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes.

Privates Nachlassverzeichnis

Erben dürfen zu diesem Zweck ein sog. privates Nachlassverzeichnis erstellen. Dabei ist der Pflichtteilsberechtigte jedoch auf die Richtigkeit der Angaben des Erben angewiesen, denn als Pflichtteilsberechtigter hat man in der Regel keinen Rechenschaftsanspruch gegen den Erben und kann demnach auch keine Belege einsehen. Der Pflichtteilsberechtigte muss sich dann in den meisten Fällen einfach auf die Angaben des Erben verlassen.

Notarielles Nachlassverzeichnis

Sollte jedoch von vornherein kein gutes Verhältnis zum Erben bestehen oder sollte das erteilte private Nachlassverzeichnis unvollständig oder (vermutlich) unwahr sein, kann der Pflichtteilsberechtigte vom Erben ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangen. Dieses gewährt eine höhere Chance auf Richtigkeit und Vollständigkeit. Dazu muss der Erbe auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten einen Notar mit der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses beauftragen.

Leider wird für die Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses im Gesetz nicht klar definiert, welche Ermittlungen der Notar hierfür anstellen muss. Der für Rechtsstreitigkeiten rund ums Erbrecht zuständige 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle konkretisierte mit zwei veröffentlichten Entscheidungen, welche Ermittlungen eines Notars in diesem Rahmen notwendig sind (Urt. v. 29.10.2020, Az. 6 U 34/20; Beschl. v. 25.3.2021, Az. 6 U 74/20).

Worauf Sie achten müssen und welche Rechte Ihnen zustehen, soll im Folgenden näher erläutert werden.

  1. Woher darf ein Notar seine Informationen nehmen und wie weit reichen seine Ermittlungspflichten?

Das OLG Celle entschied, dass ein Notar bei Erstellung eines Nachlassverzeichnisses sich nicht allein auf Angaben der Erben verlassen darf. Vielmehr müsse dieser eigene Nachforschungen anstellen, um so die Richtigkeit ein Stück weit mehr gewähren zu können. Zu diesem Zweck muss der Notar beispielsweise Bankguthaben, Wertpapierdepots und mögliche Steuerrückerstattungen bei Banken und dem zuständigen Finanzamt sowie Unterlagen und Bankschließfächer sichten. Ein Notar hat sich seinen Gebührenanspruch erst mit der ordnungsgemäßen Erstellung des Nachlassverzeichnisses „verdient“. Dabei muss allerdings bedacht werden, dass ein lückenloses Nachlassverzeichnis auch nicht von einem Notar verlangt werden kann. Denn ihm stehen keine Zwangsmittel oder Ermittlungskompetenzen zu, sodass nicht immer alle Vermögenspositionen aufgedeckt werden können.

2. Wie viel Zeit darf sich ein Notar zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses nehmen?

Grundsätzlich richtet sich die Bearbeitungsdauer nach der Komplexität und Menge des Nachlasses. Oftmals sind die Vermögensstrukturen nicht einfach nachzuvollziehen und die Einholung von Informationen bedarf seiner Zeit. Da sich Erbstreitigkeiten oft über Jahre hinweg ziehen, entscheid das OLG Düsseldorf, dass ein notarielles Nachlassverzeichnis nicht länger als drei bis vier Monate in Anspruch nehmen dürfe. So wolle man eine schnelle Abwicklung der Erbansprüche ermöglichen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.2.2020 – 7 W 92/19). In der Praxis erweist sich dieser Zeitraum jedoch häufig als unrealistisch. Denn ein solches Nachlassverzeichnis bedarf eines gewissen zeitlichen Vorlaufs, wenn zB Belege, Unterlagen oder Saldenbestätigungen auf den Stichtag des Todeszeitpunkts beigebracht oder Informationen erst von dritter Seite beschafft werden müssen. Ebenso wenig lassen sich Wertgutachten auf Zuruf beibringen, da diese nach den jeweiligen fachlichen Standards idR eine Inaugenscheinnahme des Objekts (Ortsbesichtigung der Immobilie) sowie Marktrecherchen durch den Sachverständigen erfordern. Realistisch ist daher für die Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses ein Zeitraum von ca. 6 Monaten.

3. Welche Pflichten treffen den Erben?

Macht man seinen Anspruch auf Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses gegenüber dem Erben geltend, obliegt es nun dem Notar dieses zu erstellen. Doch auch den Erben treffen gewisse Pflichten. Dieser ist nach einer BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2018 dazu verpflichtet, an der Erstellung des Nachlassverzeichnis im konkret erforderlichen Umfang mitzuwirken. Für die Mitwirkungspflicht der Erben an der Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses ist somit stets darauf abzustellen, was für die ordnungsgemäße Erstellung des Verzeichnisses im Einzelfall erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 13. September 2018 – I ZB 109/17).

4. Was kostet ein Nachlassverzeichnis beim Notar und wer trägt diese Kosten?

Konkreten Kosten eines notariellen Nachlassverzeichnisses hängen vom Wert des Nachlasses ab. Anhand dieses Betrags lassen sich die Gebühren gemäß Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotkG) ermitteln.

Ein Beispiel: Beträgt der Nachlasswert 200.000 Euro, fallen 870 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer an Notargebühren an

Die Kosten für den Notar werden aus dem Nachlass gezahlt und zählen zu den Nachlassverbindlichkeiten. Somit sind auch Pflichtteilsberechtigte an den Kosten beteiligt, da diese ihren Pflichtteil letztlich schmälern.

FAZIT:

Wird dies von Pflichtteilsberechtigten verlangt, muss das Nachlassverzeichnis von einem Notar erstellt werden. Dies schmälert aufgrund der Kosten zwar den Nachlass, hat aber durchaus Vorteile für die Pflichtteilsberechtigten.